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Gryllus sigillatus - Kurzflügelgrille



Kurzflügelgrille. Gryllus sigillatus.
Kurzflügelgrille


Haltungs- und Zuchtbedingungen von Kurzflügelgrillen und den drei weiteren Grillenarten, die ich hier vorstelle, sind sehr ähnlich. Unterschiede bestehen geringfügig in der Größe, den Entwicklungszeiten und im Zirp- und Sprungverhalten. Eine ungefähre vergleichende Tabelle dazu hier. Daher habe ich die Rubrik "Heimchen" detailliert gehalten, die Ansprüche der anderen drei Arten sind - soweit nicht anders angegeben - so ähnlich, dass die Beschreibung des Heimchens als Vorlage für alle Grillen dienen kann.


Heimchen Mittelmeergrillen Steppengrillen Kurzflügelgrillen




Die Kurzflügelgrille, südliche Hausgrille oder Bändergrille (Gryllodes sigillatus =supplicans, engl. tropical house cricket oder decorated cricket) stammt vermutlich aus dem Südwesten Asiens, wurden aber im Zuge des weltweiten Warenverkehrs über weite Regionen der Erde verbreitet und bewohnt heute vor allem als Kulturfolger in heißen Gebieten auch Teile von Australien und die USA von Florida über das südliche Texas bis Südkalifornien.

Die Erstbestimmung erfolgte durch Walker, 1869 als Gryllodes sigillatus.

Eine der zahlreichen Synonyme für Gryllus sigillatus im englischen Raum lautet Nocturne cricket - das bezeichnet den wesentlichen Unterschied zum Heimchen (Acheta domesticus) - das Zirpen erklingt zart und unaufdringlich, auch etwas regelmäßiger. Andere Eigenheiten sind ziemlich gleich, besonders das aufgeregte, planlose Springen bei Erschütterung und eine flinke Fortbewegung.



Es gibt Berichte wonach ab dem Jahr 2000 ein aus USA eingeschlepptes, europaweit grassierendes Virus (Densonucleosevirus) starke Lücken in die Heimchenbestände schlug; spätestens im subadulten Stadium ward das Heimchen dahingerafft, eine Vermehrungszucht gesteltete sich enorm schwierig. Die Züchter, die die Kurzflügelgrille wegen ihrer relativ langen Entwicklungszeit lange nicht beachtet hatten, entschlossen sich, sie wegen ihrer Resistenz gegen das Virus aus der Versenkung zu holen um die Versorgungslücken zu schließen. Das Virus scheint mittlerweile eingedämmt zu sein, denn neben dem Heimchen führt Gryllus sigillatus im Verkaufsregal wieder ein Schattendasein und ist nur unregelmäßig zu bekommen.




Körperbau



Charakteristisch für die Kurzflügelgrille sind die beiden dunklen Bänder, die sich in vorderen Bereich des Hinterleibes und hinteren Ansatz des Brustbereiches befinden. Bei genauerem Hinsehen lässt sich ein drittes Band am Übergang von Brust- zum Kopfbereich erkennen.

Weiterhin fällt auf, dass bei dieser Grillenart beiden Geschlechter auch im Erwachsenenstadium keine Flügel ausbilden, jedenfalls keine funktionstüchtigen. Beim Männchen ist das vordere Paar zu Zirp-Werkzeugen umgebaut. Sie überdecken die hinteren Flügel wie auch das dunkle Band des Hinterleibs. Weibchen verfügen nur über kleine, rudimentär ausgebildete Flügelreste.

Mit 17 mm bis 22 mm Körperlänge beim adulten Weibchen sind diese Grillen etwas kleiner als die drei anderen hier vorgestellten Grillenarten.




Nahrung



Allesfresser! Das was Grillen mögen: Gurken, Äpfel, diverses Gemüse, auch Kartoffelschalen und andere Küchenreste. Von Salat ist wegen der Pestizidbelastung anzuraten, ebenso von allem gesalzenem. In Kombination dazu dauerhaftes Trockenfutter wie Hundeflocken, Katzenfutter, Haferflocken etc. Kann Frischfutter nicht immer gegeben werden, so empfiehlt sich als dauerhafte Wasserversorgung eine mit Watte gesicherte Vogeltränke. Auch Konstruktionen die aus einem geschlossenen, wassergefüllten Gefäß einen feuchten Docht herausführen, sind brauchbar.




Behälter



Kurzflügelgrillen können zwar keine Plastikwände hochklettern, dafür aber flink und weit springen. Und das nicht nur dann, wenn sie im Sommer bei 30°c so richtig hektisch werden. Die üblichen Faunaboxen sind erst dann sicher, wenn die Grillen ausgewachsen sind. Bis dahin sollte man sie zusätzlich mit einem luftdurchlässigen Stofftuch absichern, das man auf den offenen Behälter schließend auflegt und dann den Plastikdeckel draufdrückt. Bei Öffnen wird man feststellen daß stets einige Tiere auf der Unterseite des Tuches sitzen. Diese Tiere sind nicht hochgeflogen, sondern gesprungen! Also die Klappe im Deckel öffnen und gegen das Tuch ein paarmal schnipsen, bevor man den Deckel runternimmt.




Lebensweise



Die Eiablage erfolgt - wie üblich bei Grillen - in feuchtes Substrat wie ungedüngte Blumenerde (z.B. Anzuchterde) oder Weißtorf. Ich habe mit Kokoshumus gute Erfahrungen gemacht. Ein darübergespanntes Fliegennetz o.ä. schützt die Eier vor eventuellen Nachstellungen ihrer Eltern.

Die Entwicklingszeiten von Ei zum Schlupf und weiter zum adulten Tier wie auch die gesamte Lebenserwartung sind mit dem Heimchen vergleichbar, ebenso deren starke Temperaturabhängigkeit. Die Entwicklungszeit von Schlupf bis zum Adulten ist aber etwas länger - ein deutlicher Nachteil bei der kommerziellen Zucht.


Ei bis Schlupf Schlupf bis Adult
22°C 25 Tage 8 - 10 Wochen
30°C 14 Tage 5 Wochen



Ich habe aber auch schon mal dreieinhalb Wochen bei 28°C auf den Schlupf gewartet. Da kommt man sich manchmal vor wie eine Huhn, das ein Gipsei ausbrütet.

Unbedingt sollte man das Eisubstrat regelmäßig nachfeuchten und / oder sie in einem praktisch luftdichten Gefäß unterbringen solange die Eier reifen, da sie auf ein Austrocknen sehr empfindlich reagieren und ein Totalverlust droht.

Während das Heimchenweibchen während ihrer Lebensspanne wenige hundert Eier legt, sind das bei der Kurzflügelgrille die erstaunliche Menge von 1500 bis 1800 Eier.

Kannibalismus kommt auch bei dichter Haltung praktisch nicht vor.


ä
Männchen
Weibchen, Eiablage



Kurzflügelgrille. Gryllus sigillatus. Kurzflügelgrille. Gryllus sigillatus.
Häutung
Althaut wird gefressen








Verfütterung



Glücklich der, der einen Balkon hat, auf dem entwichene Tiere nicht stören! Ansonsten kann eine Badewanne ein geeignete Umgebung sein, um Tiere aus dem Behälter zu entnehmen. Eine Möglichkeit besteht in einer leeren Toilettenrolle, die per Tesa o.ä. einseitig lichtdicht verschlossen ist. Auf der anderen Seite bringt man einige Einkerbungen an. Hochkant in den Behältereingesetzt krabbeln die Tiere durch die Kerben in den Turm (ein bisschen klopfen gegen die Box beschleunigt die Sache). Zum Entnehmen hebt man diesen Turm etwas an und dichtet ihn von unten mit einer Pappe ab.

Sehr praktisch auch die Kühlschrankmethode, bei der die Tiere in Kältestarre gesetzt werden: Eine vorgekühlte Tasse wird in die Grillenbox gestellt. Der Eierkarton (oder entsprechende Einrichtungsgegenstände) wird vorsichtig über die Tasse bewegt und leicht angeschnippst. Nun sollte man die Tasse tunlichst rasch verrschliessen.

Eine weitere Kühlung von 15 Minuten macht die Tiere weitgehend unbeweglich. Gerade die Kurzflügelgrille kommt als Bewohner karger Steppen auch phasenweise mit tiefen Temperaturen zurecht; nicht verfütterte Tiere kann man in die Grillenbox zurückschütten, Schaden haben sie nicht erlitten.


Protein: 17% - 24%
Fett 6 %
Asche 1 %
Andere 1 %



Bei der Begattung hinterläßt das Männchen dem Weibchen ein biologisches Geschenk: Zusammen mit den Spermien, die in einem Spermapaket (Spermatophore) übergeben werden, klebt das Männchen eine proteinhaltige, gallertige Substanz (Spermatophylax) an die Geschlechtsöffnung des Weibchens. Nach der Paarung wird diese Substanz vom Weibchen aufgefressen, im weiteren wird auch das Spermapaket vertilgt. Vermutlich dient das Spermatophylax dazu, die Spermien vor der weiblichen Freßgier zu schützen, jedenfalls so lange bis genug Spermien die Geschlechtsöffnung passiert haben. Außerdem geben kräftige, gut ernährte Männchen ein größeres Spermatophylax ab, so daß die Spermien länger geschützt sind und die Begattung mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich ist. Zweitens liefert das Spermatophylax aufgrund seines hohen Nährstoffgehalts eine Anschubinvestition in den Körper des Weibchens und damit die Anzahl und Qualität der Eier. Das Paarungsgeschenk ist also keineswegs uneigennützig.

Die Weibchen der Kurzflügelgrille ihrerseits betreiben eine systematische Form der Promiskuität: Jeden Geschlechtspartner markieren sie mit ihrem eigenen Duft; ein Bewerber, der ihren Duft bereits trägt wird nicht mehr in Betracht gezogen. Die Diversität im Erbgut des Nachwuchs wird damit gefördert.




Fazit



Kurzflügelgrille. Gryllus sigillatus.
Jungtier:Kopfpartie.
Kurzflügelgrillen vereinen eine Reihe von Vorteilen. Sie sind robust in der Pflege, sehr fruchtbar was die Zahl der gelegten Eier betrifft und sie zirpen in einer nur mäßigen Lautstärke. Den gegenüber stehen die längeren Entwicklungszeiten auch bei höheren Temperaturen.

Das wäre an sich zu verschmerzen, doch gerade auch in Wärmebereichen, wo Austrocknung und Schimmelbildung in der Eiablagebox sehr schnell vonstatten gehen, benötigt die Kurzflügelgrille eine Ecke länger als andere.

Ebenso ist die Kurzflügelgrille ein andauernder und ungemein sportlicher Springer; einen Behälter für einige Minuten offen stehen zu lassen wie das etwa bei der Steppengrille möglich ist, ist hier undenkbar. Auch springt sie gerne spontan ohne Anlass, man kann sie als quasi notorisch nervöse Tiere bezeichnen.

Wer eine gute Handhabe gefunden hat, die Tiere zu füttern, sie beim Reinigen des Behälters umzusetzen und sie zur Verfütterung zu entnehmen ohne sich die Wohnung mit den kleinen Rackern zu verpesten, dem sei die Kurzflügelgrille als ausgezeichnetes Futtertier empfohlen.










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