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Paramecium - Pantoffeltierchen




Pantoffeltierchen. Paramecium sp.
Paramecium caudatum







Einordnung



Pantoffeltierchen. Paramecium sp.
Paramecium, vermutlich
P. bursaria
Paramecium ist einer der bekanntesten Einzeller überhaupt und gilt als Paradebeispiel eines Wimpertierchens.

Pantoffeltierchen sind eine Gattung von Einzellern aus dem Stamm der Wimpertierchen (Ciliaten). Ihnen gemeinsam ist eine von Wimpern (Cilien, Flimmerhärchen) mehr oder weniger bedeckte Körperoberfläche, mit deren Hilfe sie Nahrung herbeistrudeln und ihre Fortbewegung bewerkstelligen.

Wimpertierchen gelten als mithin die komplexesten Einzeller - und auch als die größten. Kleinere Arten bringen es auf ca. 0,05 mm, große Arten wie das Paramecium caudatum auf 0,3 mm. Damit sind Pantoffeltierchen mit dem blosen Auge sichtbar als kleine weißliche, längliche Punkte, die langsam durchs Wasser gleiten.

Unter dem Mikroskop sieht das etwas anders aus: Ungeheuer flink und unberechenbar in ihren Richtungswechseln wuseln sie - scheinbar ohne jede Massenträgheit - durchs Wasser. Bei günstigen Bedingungen bilden zahllose Individuen Schwärme, die das Wasser trüben. In größeren Behältern bei stehendem Wasser, etwa in neuen Aquarien in der Einfahrphase, nehmen solche Schwärme eindrucksvoll Struktur und Bewegungsmuster von riesigen Herings- oder Zugvogelschwärmen an. Die aquaristisch interessante Art ist Paramecium caudatum. Das ist gleichzeitig die größte vorkommende Art.

Ihre Haut ist sehr elastisch und läßt starkt Einschnürungen zu. Trotzdem gibt sie dem Pantoffeltierchen eine definierte Form, die namensgebend entfernt an einen Pantoffel erinnert. Diese Form rührt von einer Falte oder Einbuchtung (Mundtrichter) an der Körperlängsseite in die Umgebung des Zellmunds her, an deren Ende sich der Zellmund selbst befindet.

Der Stammbaum von Paramecium hat seit den stürmischen Erfolgen der Genetik wie bei anderen Einzellern auch so einige Schwankungen hinter sich. Nachdem man viele Jahrzehnte lang Einzeller nach äußeren Merkmalen und Körperbau einordnete stellen genetische Analysen diese Systeme oftmals in Frage und decken neue Verwandschaftsverhältnisse auf, die vorher nicht sichtbar waren.

Eine allgemein verbindliche Einordnung gibt es meines Wissens derzeit nicht (Stand 2012), je nach Gewichtung der Merkmale ergeben sich verschiedene Lehrmeinungen. Der Vollständigkeit halber sei hier eine Version aus dem englischen Sprachraum angeführt.
  • Stamm: Ciliophora (Wimpertierchen)
  • Unterstamm: Intramacronucleata
  • Klasse: Oligohymenophorea
  • Ordnung: Peniculida
  • Familie: Parameciidae
  • Gattung: Paramecium


Weltweit sind etwa 40 Arten Pantoffeltierchen bekannt; fast alle leben in stehenden Süßgewässern, eines lebt marin. Paramecium bursaria ist bekannt für die Algen, die endosymbiontisch in seinem Körper leben; Paramecium aurelia bildet zur sexuellen Fortpflanzung große Konglomerate mit zahlreichen Einzeltieren, die sich aneinanderlagern und wechselseitig Erbmaterial austauschen. Der Vorgang kann bis zu 12 Stunden dauern.




Körperbau und Lebensweise



Paramecium besitzt einen langgestreckten, walzenförmigen Körper, der an der Vorderseite abgerundet, an der Hinterseite eher spitz zulaufend ist und der vollständig mit Wimpern (Cilien) bedeckt ist (etwa 10 000). Diese Wimpern bewerkstelligen die Fortbewegung und den Nahrungserwerb.

Zur Fortbewegung schlagen die Wimpern koordiniert nacheinander mit einer festgelegten Phasenverschiebung, so dass gewissermaßen Wellenbewegungen über den Körper laufen, die beim Vorwärtsschwimmen vorne beginnen. Um die Wimpern zu koordinieren sind ihre Wurzeln in der Zellhaut mit Fibrillen verbunden; sie koordinieren auch kompliziertere Manöver wie Drehungen und Rückwärtsbewegungen.

Um Vortrieb zu erreichen läuft ein Wimpernschlag ab wie ein Peitschenschlag; dabei ist die Wimper bei der Schlagbewegung gestreckter, bei der Rückbewegung deutlich eingekrümmt um in den beiden Phasen der Bewegung unterschiedlich starke Wasserbewegung zu erzielen. Aus der Differenz der beiden ergibt sich der Vortrieb. Am Körperende befinden sich längere Cilien, die der Steuerung dienen. Durch seine etwas asymmetrische Bauform dreht sich das Pantoffeltier bei der schnellen Vorwärtsbewegung leicht in einer links gewundenen Schraubenbahn.





Die Pulsierende Vakuole ist ein zweifach vorhandenes Organell zur Aufrechterhaltung der osmotischen Verhältnisse. Es dient dazu, Wasser das durch die Zellmembran von außen eingesickert ist, wieder nach draußen zu befördern. Dazu durchziehen das Pantoffeltierchen ein sternförmigen System von Kanälen die in die Pulsierende Vakuole münden. Durch diese Kanäle wird das überschüssige Wasser in die Pulsierende Vakuole eingeleitet, die dadurch allmählich anwächst (Diastole). In regelmäßigen Abständen kontrahiert die Vakuole ruckartig und presst durch einen feinen Abfluss das Wasser nach außen (Systole). Die beiden Vakuolen kontrahieren abwechselnd, jede ca. 10 bis 15 Mal pro Minute, je nach Konzentration von gelösten Salzen und Mineralien im Umgebungswasser. In ca. 15 Minuten wird eine Wassermenge befördert, die dem eigenem Zellvolumen entspricht.

Paramecien besitzen zwei Zellkerne, den Großkern (Macronucleus) und den Kleinkern (Micronucleus). Beide befinden sich meist in der Nähe des Mundtrichters. Während der Kleinkern den doppelten Chromosomensatz enthält und nur bei der sexuellen Reproduktion eine Rolle spielt, enthält der Großkern das Erbmaterial mehrere hundert Mal (bis 800fach). Er ist für Stoffwechselvorgäge zuständig.

Pantoffeltierchen. Paramecium sp.
Angefärbt mit Azocarmin
Pantoffeltierchen ernähren sich von Bakterien, kleinen Algen oder auch kleineren organischen Partikeln aus ihrer Umgebung, wobei die Hauptnahrung Bakterien darstellen. Dabei erzeugen die Wimpern um das Mundfeld einen ständigen Wasserstrom über das Mundfeld hinweg.

Nahrungspartikel, die in diesen Strudel geraten, bleiben an den Cilien des Mundfeldes hängen und werden in den Mundtrichter (Vestibulum) befördert. Der Mundtrichter leitet die Nahrung nun durch zwei weitere aufeinander folgende Gänge (Cytopharynx, Cytooesophagus) in das Zellinnere, die sich immer weiter verengen. Der Transport in das Zellinnere wird über spezielle Wimpern bewerkstelligt. Schließlich endet der Kanal an der Zellmembran, der unmittelbaren Grenze zum Zellinneren, wo die Partikel gesammelt werden bis eine bestimmte Portionsgröße erreicht ist. .Ein Fibrillennetz sorgt für mechanische Stabilität, während die Zellmembran die Nahrungsportion umschließt und sich von der übrigen Zellmembran abschnürt. Damit ist auf der Innenseite der Zellmembran eine Nahrungsvakuole entstanden, die nun auf einer festgelegten Bahn das Pantoffeltier durchläuft, während verschiedene Zellorganellen die Verdauung leisten.

Zuerst wird der Vakuole überschüssigen Wasser entzogen. Dann wandern kleine, stark säurehaltige Bläschen (Acidosomen) auf die Vakuole zu und fusionieren mit ihr. Dadurch wird der pH-Wert drastisch auf unter 3 gesenkt. (Das entspricht dem Niveau eines Säugetiermagens.) Nun docken Lysosomen an die angesäuerte Vakuole an und beschicken sie mit Verdauungsenzymen. (Verdauungsenzyme arbeiten vielfach nur in saurem Millieu - daher der Aufwand.) Die verwertbarten Stoffe werden durch die Wand der Verdauungsvakuole resorbiert.

Unverdauliche Reste werden ausgeschieden indem die Vakuole an einer dafür festgelegten Stelle an der Zellmembran von innen andockt (Zellafter). Ein Durchbruch entsteht und der Inhalt wird nach außen abgegeben. Die Hülle der Nahrungsvakuole, die anfangs sich von der Zellmembran abgeschnürt hatte, vereinigt sich wieder mit dieser.

Pantoffeltierchen: Querteilung.
Paramecium sp. :
Querteilung
Die Vermehrung erfolgt hauptsächlich ungeschlechtlich über Querteilung, beginnend beim Mundfeld. Eine Teilung erfolgt in günstiger Umgebung alle drei bis vier Stunden. (Das heisst auch dass das Pantoffeltierchen in der gleichen Zeit sein Gewicht verdoppeln kann.)

Wie bei allen Wimpertierchen kann auch das Pantoffeltierchen sich sexuell vermehren, sobald bestimmte Umweltbedingungen die entsprechenden Reize abgeben. Dabei schmiegen sie zwei Tiere am Mundfeld eng aneinander. Dort bilden sich die Wimpern zurück und die Zellmembranen verschmelzen. Die Großkerne lösen sich auf, die Kleinkerne durchlaufen einen Teilungsprozess, an dessen Ende zwei Kerne mit einem einfachen Chromosomensatz stehen. In beiden Pantoffeltierchen wandert nun einer der Kerne zum jeweils anderen und verschmilzt mit dem dort verbliebenen zu einem Kern mit "normalen", doppeltem Chromosomensatz. Damit ist der Austausch von Erbinformation vollzogen. Der neue Kern teilt sich nun; aus den beiden Tochterzellen entstehen der neue Groß- und Kleinkern. Diese Form der Vermehrung ist hoch riskant, etwa die Hälfte der Paramecien überlebt diesen Prozess nicht.




Haltung und Zucht



Pantoffeltierchen.
Milchkultur im
Stehkolben. Beleuchtung
von unten.
Die Zucht von Paramecium gestaltet sich sehr einfach sofern ein bereits laufender Ansatz zur Verfügung steht: Ein Einmachglas oder Gurkenglas mit dem Ansatz befüllen, mit abgestandenem Wasser auffüllen (Wasserhärte ist egal), in das die Paramecien eingebracht werden.

Ein praktikables Volumen ist ein halber Liter oder mehr. Wer besonders "gesunde" Paramecien züchten will nimmt statt Leitungswasser Volvic naturelle. Zur Fütterung gibt man einen Tropfen Milch hinein (3,5% oder 1,5 % Fett ist egal, auch Sahne funktioniert).

Gerade anfangs sollt man vorsichtig sein mit den Milchzugaben, es reicht auch zu Beginn den Stiel eines Teelöffels in die Milch zu tauchen; was an ihm haftet wird verfüttert, mehr nicht. Von der Milch ernähren sich u.a. Milchsäurebakterien, die den Paramecien als Nahrung dienen. (Sie sind praktisch überall vorhanden, auch in der Luft - ein Animpfen dieser Bakterien ist nicht nötig.) Sobald das Wasser tags darauf wieder vollends klar geworden ist gibt es die nächste Portion.

Die Abstände zwischen den Fütterungen werden dabei kleiner, da sich die Bakterien stark vermehren ud die gleiche Menge Milch in viel kürzerer Zeit vertilgen. Entsprechend steigt das Nahrungsangebot für Paramecium.

In einem gut eingefahrenen 0,5-Liter-Behälter konnte selbst ein ganzer Teelöffel Milch die Population nicht wie erwartet gefährden, im Gegenteil, eine explosionsartige Vermehrung der Paramecien war die Folge.

Bei längerer Standzeit bilden sich zuerst meist dunkelgrüne Fadenalgen, die als feines Gespinst den Behälter durchziehen. Sie sind nicht schädlich. Manchmal halten aber auch eine bestimmte Art relativ großer Rädertiere Einzug. Sie werden nach und nach die Paramecien verdrängen bis keines mehr übrig ist. Hier hilft nur ein neuer, reiner Ansatz oder das Aussortieren einiger Paramecien unter dem Mikroskop, um einen reinen Ansatz herzustellen. Ein Ansatz mit anfangs sehr wenigen Individuen sollte auch in einem entsprechend kleinen Volumen erfolgen.

Kohlrabi - Steckrübe.
Steckrübe, Brassica napus
Ebenso eigenen sich ein getrockneter Kohlrabiwürfel oder -schnitzel (Brassica napus subsp. rapifera, auch Steckrübe, Wruke, Kohlrübe, Erdkohlrabi etc genannt), die nach Streble und Krauter nicht bei über 50°C getrocknet werden sollen (Sonne / Heizung). Zu große Würfel ( mehr als Kantenlänge 5 - 10 mm) können Fäulnis und Sauerstoffzehrung verursachen. Die Folge ist ein Umkippen des Ansatzes - die Paramecien verenden an Sauerstoffmangel. Ein Würfel hält etwa 2 Wochen - dann einfach einen neuen einwechseln.

Eine weitere Methode ist ein Heuaufguss, bei dem man ein Büschel Heu, Gras oder Stroh in ein wassergefülltes Glas einbringt. Das Material sollte möglichst wenig mit Pestiziden oder Autoabgasen belastet sein. Auch ein in Streifen geschnittenes Blatt Bio-Eisbergsalat hat bei mir schon funktioniert.

Ein Volumen, das mit den kleinen Finger vergleichbar ist, genügt. (Selbst die Menge die in einen Teebeutel passt hat keinen schwächeren Effekt.) Die Sporen die auf dem Material sitzen keinem im Wasser aus und finden mit dem toten organischen Material ein Futterparadies vor. Sie vermehren sich explosionsartig und stehen den Paramecien als Futter zur Verfügung. Nachteil: Auch Konkurrenzorganismen können sich bilden, etwa Rädertierchen.

Dem beugt der abgekochte Heuaufguss vor, bei dem das tote Pfanzenmaterial in kochendes Wasser eingebracht wird. Weitere 10 Minuten köcheln sollten alle (eukariotischen) Konkurrenzorganismen abtöten. Bakterien (Prokarioten) überstehen als Sporen die Hitze und keimen nach dem Abkühlen aus. Setzt man nun Paramecien zu sind sie die einzigen Beutemacher im Gurkenglas. Es ist immer wieder erstaunlich wie schnell sich Paramecien in einem abgekochten Heuaufguss vermehren. Wahrscheinlich geht durch das Kochen mehr organisches Material in Lösung und steht den Futterbakterien zur Verfügung. Vermutlich ist diese Methode diejenige, die mit der kürzesten Vorlaufzeit die schnellste Vermehrung liefert, wenn auch nur für einige Tage.



Paramecium - Heuaufguss.
Paramecium,
Heuaufguss abgekocht.
Hat man keinen Ansatz zur Verfügung gestaltet sich das ganze erheblich schwieriger. Ein Heuaufguß liefert nicht automatisch Pantoffeltierchen, da Pantoffeltierchen keine trockenen Dauerstadien (Cysten) bilden. Einen Heuaufguß sollte man daher nach einigen Tagen mit einer oder mehreren Wasserproben aus einem See oder Tümpel animpfen oder gleich komplett Seewasser verwenden.

Ein bisschen Glück braucht man dennoch um eine geeignete Probe zu finden die die richtigen Muttertiere enthalten. Hat man die "richtigen" Tierchen in seinem Ansatz gefunden, kann man einen kleinen Teil des Aufgusses in eine Kohlrabikultur überführen. Da dieser speziell für Pantolleltierchen besonders günstig ist kann man eine Massenvermehrung hoffen. Oder man sortiert die Tiere unterm Mikroskop aus und beginnt mit einer ganz kleinen Population. - Jedes Aquaristikfachgeschäft führt aber Paramecien in seinem Sortiment.

Paramecium - Wolke.
Paramecien in einem
54-Liter-Becken.
Wolkenartige Schlieren.
Die stabilste Haltung finde ich die Milchkultur. Sie ist weit robuster als viele glauben, auch 10 Tage ohne Futter werden überstanden. Andererseits bringt sie wohl auch die beste Vermehrungsquote. Arbeitet man sauber (z.B. mit immer der gleichen Pipette, welche zu nichts anderem verwendet wird) erfolgt auch weniger oft eine Kontamination mit unerwünschten Organismen. Die Standzeit beträgt sicher mehr als 6 Wochen, danach wird ein kleiner Teil der Paramecien in ein neues Glas mit frischem Wasser umgesetzt.

Auch kommerzielle Infusorienstarter (Protogen etc.) funktionieren gut; die Vermehrungsquote ist mittel.

Weitere Methoden sind ein abgekochtes Weizenkorn oder ein Reiskorn als Bakteriennahrung im Behälter; diese Kulturen dienen mehr der Reserve, da die Vermehrungsraten, die sie liefern, sich bescheiden ausnehmen. Allerdings weisen sie sehr lange Standzeiten auf, nach denen ein neues Korn eingetauscht oder das Wasser gewechselt werden muss. Manchmal funktionieren sie auch gar nicht.




Fangen und Verfüttern



Durch ihre elastische Haut sind Paramecien nur sehr schwer auszusieben. Vermutlich passen sie durch Löcher, die nur ein Fünftel ihres normalen Körperdurchmessers groß sind. Man kann sie aber konzentrieren: Dazu benötigt man ein bauchiges Gefäß mit einem möglichst engem, langen Hals, in das man die Paramecien gibt (z.B. eine Grappaflasche). Da sie aktiv der Schwerkraft entgegengesetzt schwimmen (ohne Schwimmbewegungen würden Pantoffeltierchen sinken) drängen sie sich in diesem Hals und mit einer Pipette kann tropfenweise Paramecienkonzentrat entnommen werden.

Um diese Methode zu vervollkommnen kann man in den Hals des Gefäßes einen dichten Wattepfropfen schieben und darauf Frischwasser träufeln. Die Paramecien arbeiten sich durch den Propfen und werden quasi aus dem Frischwasser entnommen.

Über den Nährwert eines Pantoffeltierchens ist nur sehr wenig bekannt - plausibel ist allerdings daß Gehalt und Zusammensetzung von der Ernährung abhängig ist.




Reiz und Reaktion - einige Versuche



Wie kaum ein anderer Einzeller verfügt Paramecium über eine Fülle von Sinnen, über die es auf seine Umgebung reagieren kann.

Paramecien reagieren auf chemische Reize wie Salzkonzentration, Temperatur, Licht, Schwerkraft und natürlich Berührung. Temperatur und chemische Reize werden nur in der vorderen Körperhälfte wahrgenommen. Schwerkraft wird vermutlich über Dichteunterschiede zwischen Vakuolen und den umliegendem Zellplasma registriert. Wimpern sorgen für einen flächendeckenden Tastsinn.

Trifft es beim Vorwärtsschwimmen auf en Hindernis, so rudert es ein Stück zurück, macht eine leichte Drehung und versucht erneut, vorwärts zu schwimmen. Das wird so lange wiederholt bis das Hindernis umschwommen ist.

Nun hat ein Pantoffeltierchen als Einzeller keine Neuronen - die komplexe Interaktion mit der Umwelt über eine Vielzahl von Sinnen ist dadurch umso erstaunlicher.

Chemotaxis
In einer Petrischale wird einige Millimeter hoch ein möglichst dichter Ansatz Paramecien eingebracht. In der Mitte werden einige Kristalle Kochsalz eingesetzt. Allmählich bildet sich ein Konzentrationsgefälle von gelöstem Kochsalz aus, das in der Mitte ein Maximun, am Rand das Minimum hat. Dazwischen suchen sich die Paramecien ihren Optimalwert und bilden einen Ring um die Mitte, zumindest aber bildet sich eine kreisförmige Vermeidungszone aus.

Geotaxis
Dieser Versuch wurde durchgeführt um nachzuweisen dass Paramecien Dichteunterschiede zwischen Nahrungsvakuolen verwenden, um die Richtung der Schwerkraft zu ermitteln. Dabei wurde mit einem Trick den Pantoffeltierchen Eisenstaub verfüttert. Nun brachte man diese Tiere in ein Röhrchen, an dessen einem Ende ein Manget angebracht war. Egal an welchem Ende der befestigt war und egal ob das Röhrchen waagrecht oder senkrecht stand, die Paramecien sammelten sich immer auf der dem Magneten gegenüberliegenden Seite.

Färben
Ein Stückchen Frischhefe (1 Gramm) wird mit etwas Wasser (2 ml) und einer kleinen Messerspitze des Farbstoffs Kongorot aufgekocht. Die so gefärbten Hefezellen werden in kleiner Menge in eine Kultur eingebracht. Die Paramecien nehmen die Hefezellen auf; die Verdauungsvakuolen die sie enthalten erscheinen im Lichtmikroskop zunächst deutlich rot. Da der Farbstoff pH-sensibel ist (wie Lackmus) schlägt die Farbe um auf blau, sobald die Nahrungsvakuole durch Acidosomen angesäuert wird.

Thigmotaxix
Treffen Paramecien mit ihren Wimpern auf fasriges Material wie Pflanzenreste, aber auch Kaffeefilterpapier oder einzelne Wattefäden, schmiegen sie sich daran und gleiten langsam an ihnen weiter. Vermutlich dient das einer optimierten Nahrungsaufnahme, da Bakterien in unmittlebarer Nähe zu totem Pflanzenmaterial zahlreich auftreten.

Galvanotaxis
An die Kulturflüssigkeit wird Gleichspannung angelegt. (Wenige Volt genügen!) Sofort orientieren sich die Pantoffeltierchen am Spannungsfeld und schwimmen geschlossen zur Kathode (Minuspol der Batterie). Die elektrische Spannung erzwingt eine bestimmte Schlagrichtung der Wimpern - freiwillig ist die Kursänderung daher keineswegs. Die Paramecien werden dadurch zu einer Drehbewegung gezwungen, die stets so endet, dass sie mit dem Vorderende in Richtung Kathode stehen.

Biophotonen
Forscher vom Schweizerischen Tropeninstitut und vom Centre national de la recherche scientifique in Paris haben nachgewiesen dass Paramecien auch über elektromagnetische Wellen kommunizieren, also mittles Licht (Biophotonen). Dabei trennten sie zwei Populationen von Paramecium caudatum mit Fensterglas oder mit Quarzglas; die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass sich Paramecien über zwei Wellenlängen austauschen (UV und eine langwelligere) und sich in Wachstum und Energieaufnahme verstärkend oder vermindernd beeinflussen können. (Publiziert in "PLoS ONE", den englischen Originalbeitrag gibts hier).




Fressfeinde und Feindabwehr



Amöben sind die Hauptfeinde von Paramecium. Um die Arbeitsweise von Amöben zu verdeutlichen sei an den Film "Der Blob" erinnert: Ein formloser Klumpen Schleim stürzt sich brutal auf Lebewesen (im Film natürlich eine HighSchool-Clique) und verleibt sich diese ein um sie allmählich zu verdauen. Auch nach dem Fressen sind noch diverse Körperteile des gefressenen noch zu erkennen. Im Film sind Arme und Köpfe eben der HighSchool-Schüler, im Wassertropfen verschiedene kleinere Einzeller bis hin zum Paramecium. Die Amöbe "umfließt" dabei das Pantoffeltierchen bis dieses eingeschlossen ist und keine Fluchtmöglichkeit mehr besitzt. Womöglich macht sich die Amöbe die Eigenschaft des Pantoffeltierchens zunutze, sich an Oberflächen anzuschmiegen (Thigmotaxis), denn lange Zeit während des schleichenden Umfließens könnte das Paramecium den Angriff bemerken, verzichtet aber auf eine rechtzeitige Flucht. Schließlich nimmt es die Beute in seinen Körper auf und unter den Mikroskop können wir schaudernd die Reste eines Pantoffeltierchens beobachten das in einem gallertigen, formlosen Killer-Einzeller verdaut wird.

Sonnentierchen sind kugelförmige Einzeller, von deren Oberfläche strahlenförmig dünne Scheinfüßchen abstehen. Pantoffeltierchen bleiben bei Berührung daran kleben, die Scheinfüßchen werden verkürzt (eingeschmolzen) und das Sonnentierchen verleibt sich das Pantoffeltierchen ein.

Vertreter der Gattung Didinium lassen sich in ihrer Form mit einer Regentonne der man einen Sombrero aufgesetzt hat - die Winpern befinden sich auf der Krempe des Sombreros. Um ein Pantoffeltierchen zu erbeuten stülpt es die Spitze des Hutes weiter nach vorne, öffnet sie und saugt das Pantoffeltierchen ein.

Als Abwehrmechanismus bringen Pantoffeltierchen Trichocysten in Stellung: Dabei handelt es sich im stäbchenförmige Gebilde, die direkt unter der Körperoberfläche der Pantoffeltierchen sitzen und bei Gefahr lange Eiweißfäden ins Wasser abschießen. Zahllose solcher Fäden können den Fressfeind lahmlegen oder sogar zu Tode bringen wenn er sich darin verfängt. Trichocysten können einmal feuern, danach werden sie erneuert. Man findet sie auch bei manchen Planarien. Auch Angriffe durch Süßwasserhydren werden so erfolgreich abgewehrt. Tatsächlch machen Hydra, die in einem Gefäß zusammen mit sehr vielen Paramecien gehalten werden einen recht verkümmerten Eindruck und strecken sich nie zur vollen Länge.








Trivia



Im Jahr 2007 wurde das Pantoffeltierchen als erste Art von der Deutschen Gesellschaft für Protozoologie (DGP) auf ihrer Jahrestagung in Salzburg zum Einzeller des Jahres gekürt.

Wir gratulieren nachträglich!









Letzte Änderung: 24.03.2012











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