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Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier



Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier
Kolonie Stentor coeruleus
in Milchkultur.





Einordnung



Stentor coeruleus ist einer der größten Einzeller überhaupt. Mit seinen etwa 2 Millimetern, d.h. 2000 Mikrometern schlägt er sogar das relativ große Pantoffeltierchen mit seinen 200 bis 300 Mikrometer um Längen. Es zählt zur großen Gruppe der Wimpertierchen und ist damit ein Verwandter der Pantoffeltierchen.

Angesichts seiner schieren Größe, seiner behäbigen Eleganz, die dieses Tier unter Wasser zeigt, und seines überaus faszinierenden Körpers fühlt man, wenn man es vor der Mikroskoplinse hat, wohl die gleiche atemberaubende Schönheit wie ein glücklicher Walbeobachter im Pazifik.

Stentor war in der altgriechischen Sage ein Kämpfer imTrojanischen Krieg, der so laut wie 50 andere Männer brüllen konnte. Da wohl nur die Lautstärke einer Trompete daran heranreichte, erhielt dieser so geformte Organismus in einer tollkühnen Gedankensprung diesen Namen.


  • Stamm: Wimpertierchen (Ciliophora)
  • Unterstamm: Postciliodesmatophora
  • Klasse: Heterotrichea
  • Ordnung: Heterotrichida
  • Familie: Stentoridae
  • Gattung: Trompetentierchen



Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier: Wimpern.
Wimpern im Rhythmus
Innerhalb des Stammes der Wimpertierchen zählt Stentor zu den Heterotrichen. Ihr charakteristisches Kennzeichen sind verschiedene, spezialisierte Wimpern an verschiedenen Körperstellen. Bei Trompetentierchen ist die Spezialisierung hervorstechend zu sehen an dem Wimpernkranz, der aus viele einzelnen Wimpern besteht, die in gleichförmiger Abfolge reihrum schlagen. Aber auch der restliche Körper des Tierchens ist mit Wimpern besetzt, wennauch weniger deutlich sichtbar.


Trompetentierchen sind keine Rädertierchen, auch wenn das auf den ersten Blick so aussieht. (Rädertierchen sind Vielzeller, Trompetentierchen Einzeller, um den größten Unterschied zu nennen - der Verwandschaftsgrad ist nicht größer als zwischen einem Kaninchen und einer Auster.)




Körperbau und Lebensweise



Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier
Mundöffnung mit
Wimpernkranz
Stentor sitzt meist in pflanzenreichen, nährstoffhaltigen Gewässern in der krautigen Uferzone, wo die Tiere sich in beschatteten Bereichen unterhalb von Wasserpflanzen aufhalten. Oft befinden sie sich auf der Unterseite von Wasserlinsen, wo sie sich mit dem Fuß am Substrat festhalten und mit dem Wimpernkranz Nahrungspartikel wie Algen und Bakterien in den Mund strudeln.


Dabei sind sie aufgrund ihrer Größe durchaus der Lage, als Einzeller kleine Vielzeller zu erbeuten. Der Vortrieb, der vom Wimpernschlag erzeugt wird streckt dabei den Körper in die Länge. Dabei zeigt sich der Fuß als sehr dehnbar, das Trompetentierchen nimmt dabei die Form eines grazilen Sektglases an (siehe Bild ganz oben).


Bei Erschütterungen oder Berührungen können sich Trompetentierchen sehr schnell auf eine nahezu kugelige Form zusammenziehen.


Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier
Stentor: Angefüllt mit
zahlreichen Wasservakuolen
Um seinen Standort zu ändern (bei Störungen, Kälte oder zu hoher Temperatur) löst das Trompetentier den Fuß vom Substrat und kontrahiert den Körper zu einer kompakten, birnenförmigen Gestalt. Der Wimpernkranz und die Körperwimpern dienen nun als Motor und befördert das Tierchen unter ständiger leichter Drehung um die eigene Achse durch das Wasser. Das Wimpernkleid des Körpers übernimmt dabei eine tastende Funktion.


Hat Stentor coeruleus einen neuen geeigneten Standort gefunden, setzt es den Fuß auf und nimmt Wasser in Vakuolen (kleinen Bläschen) in das Körperinnere auf. Dabei dehnt es sich mitunter bis zum vierfachen Volumen aus. Die schnellen Kontraktionen werden von Längsfasern bewerkstelligt, die aus gebündelten Motorproteinen bestehen. Diese "Myonema-Fäden" können sehr schnell kontrahieren und werden auch von anderen Einzellern wie Glockentierchen (im Stiel) verwendet.


Da sie sich nicht von selbst auf ihre alte Länge strecken können übernimmt das der Innendruck des Trompetentierchens. (Daher laufen die Streck- bzw. Entspannungsvorgänge stets wesentlich langsamer ab als die Kontraktionen.)


Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier
Granula mit
Stentorin
Das an der Zelloberfläche eingelagerte Pigment Stentorin, das dem Tier seine Farbe verleiht, hat vermutlich mehrere Funktionen. Zum einen ist es giftig, stellt also einen Abwehrmechanismus dar.


Da Trompetentierchen empfindlich gegen zu starker Lichteinwirkung sind und daran sogar zugrundegehen, nutzt das Trompetentierchen dieses Pigment ebenfalls als Schutz, um sich vor zu starker Lichteinwirkung zu schützen. Vermutlich dient es auch als Schutz vor UV-Strahlen. (aus: "Protistology":Hausmann, Hülsmann, Radek.)


(Wahrscheinlich gibt es zwei Komponenten, Stentorin I und II. Stentorin II scheint ein Photorezeptor zu sein, der ein schwach fluoreszierendes hochmolekulares Membranprotein bzw Proteinkomplex ist, während Stentorin I, das stark fluoresziert, möglicherweise eine Antennenfunktion hat. Vermutlich gibt es auch noch eine dritte Substanz, Stentorin II B.)






Stentor coeruleus:
Bauplan.




Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier
Perlschnur-Zellkern
Wie bei allen Wimpertierchen verfügt auch das Trompetentierchen über ein Organell, welches das durch die Zellmembran eingesickerte Umgebungswasser sammelt und wieder ausscheidet. Dazu ist Stentor längs mit Kanälen durchzogen, die das Überschusswasser ableiten und zu einer Sammelstelle führen, wo es in regelmäßigen Abständen durch Kontraktion durch einen feinen Kanal zurück nach aussen gepresst wird.


Das Erbgut liegt bei Stentor in zwei Zellkernen vor, die zwar das gleiche Erbgut beinhalten, aber unterschiedliche Funktionen aufweisen. Zum einen im charakteristischen perlschnurartigen Makronucleus, in dem das Erbgut für den normalen Stoffwechsel gelagert ist. Es liegt in vielen hundert Kopien vor (polyploid), was für große Einzeller typisch ist und bei dem Auslesen der Gene und der Herstellung der Proteine für einen größeren Stoffumsatz sorgt da viele Baupläne gleichzeitig ausgelesen werden können.

Kommt es zur sexuellen Reproduktion wird der Makronucleus aufgelöst und der deutlich kleinere Mikronucleus übernimmt seine Funktion als Koordinator des Austausches des Genmaterials.

Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier: Typisches Habitat.
Typisches Habitat:
Leicht schattiger Waldrand.
Die Vermehrung erfolgt in den allermeisten Fällen durch Teilung; sexuelle Vermehrung ist allerdings möglich. Dabei legen sich zwei Stentoren parallel und berühren sich am oberen Körperbereich nahe des Wimpernkranzes (Konjunktion). Dabei wird eine Plasmabrücke aufgebaut, durch die die wechselseitigen Genübertragung erfolgt.

Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier.
Vermehrung
Der Makronucleus wird aufgelöst. Der Mikronucleus in beiden Stentoren, der bislang das Erbgut in doppelter Version (diploid) beinhaltete, teilt sich nun (Meiose).


Die Evolution hängt an alten Traditionen, das brigt es mit sich dass sich der ursprüngliche diploide Kern in beiden Trompetentierchen zwei mal teilen muss, um den einfachen Chromosomensatz zu erhalten. Jedes Tier verfügt dann also über ja vier haploide Kerne, von denen je drei zugrunde gehen. Der eine verbleibende in jedem Trompetentier teilt sich nun wieder in zwei haploide Kerne (zwei Mal einfacher Cromosomensatz).


Je einer dieser beiden Kerne beginnt nun die Wanderschaft durch die Plasmabrücke; den Wanderkern kann man nun als männlich, den verbleibenden Kern als weiblich ansehen. Im Zielkörper angekommen vereinigt sich der dort verbliebene Kern mit dem Wanderkern zu einem neuen, diploiden Kern - der Genaustausch ist perfekt. Im weiteren Verlauf teilt sich auch dieser Kern noch einmal; ein Tochterkern bleibt unverändert und fungiert als neuer Mikronucleus. Beim anderen Kern wird das genetische Material drastisch vervielfacht; er dient als neuer Makronucleus.


Um Genaustausch zwischen gengleichen Individuen zu vermeiden gibt es zwei oder mehr Paarungstypen; nur zwischen Tieren verschiedener Paarungstypen findt Genaustausch statt. (Der Paarungstyp ist durch Glykoproteine auf der Zelloberfläche festgelegt.) Sexuelle Reproduktion und Genaustausch ist mit hohen Risiken und Sterberaten von mitunter mehr als der Hälfte der Individuen behaftet.




Haltung



Das Blaue Trompetenrierchen Stentor coeruleus ist relativ leicht zu halten.

Da es keine Dauerstadien bildet, benötigt man eine Starterkultur.

Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier.
Zusammen mit
Paramecien in
Milchkultur
Üblicherweise kultiviert man Stentor in Milchkultur. Dabei wird abgestandenes Leitungswasser oder Volvic naturelle in einem Gurkenglas mit einer winzigen Menge Milch beinpft - am ersten Tag weniger als ein Tropfen. Die Menge, die an einem halben Zentimeter eines Löffelstiels hängenbleibt ist genug.


Am nächsten Tag kann man die Menge bereits etwas erhöhen, am dritten Tag wieder. Stets sollte die Menge so gering sein, dass die leichte Trübung der letzten Fütterung am Tag davor verschwunden ist.


Nach wenigen Tagen erhält man ein Medium das voll von Bakterien ist und den Stentoren reichlich Futter bietet. Sobald die Stentoren sich in der Milchkultur befinden füttert man konstant Milchtropfen nach. (Richtwert: 1 Tropfen 3,5% H-Milch auf 0,5 Liter) Die Menge hat man schnell im Gefühl, ein Zuviel läßt die Kultur innerhalb kurzer Zeit an Sauerstoffmangel zusammenbrechen.


Stentor coeruleus - Blaues Trompetentier: Mundöffnung.
Komplexe Mundöffnung
Nach etwa zwei Wochen sollte ein Wasserwechsel erfolgen um Abbauprodukte und weißliche Ablagerungen aus dem Wasser zu entfernen. Ein Neuansatz, bei dem Individuen aus dem alten Glas in ein frisches Medium überführt werden ist noch gründlicher.


Fast ebenso gut funktioniert ein Heuaufguss oder ein Heuaufguss, bei dem das Heu in nicht mehr kochendes Wasser gegeben wurde. (Die Hitze eliminiert große Einzeller die als Konkurrenz auftreten könnten während die hitzebeständigen Bakterien oder deren Sporen im Heu überleben.). Da ein Heuaufguss; sich ständig verändert und eine sukzessive Artenabfolge hervorbringt ist er nicht so dauerhaft und stabil wie die Milchkultur. Nach gut einer Woche gibt er nicht mehr viel her und ein Neuansatz ist fällig.


Preis Microplan funktioniert gut, vermutlich auch andere komerzielle Produkte. Auch Infusorienansetzer wie Protogen liefern geeignete Nahrung. Der Stellplatz sollte nicht hell sein (Badezimmerfenster), die Temperatur bei ca 20°C.




Weitere heimische Arten



  • Graues Trompetentier (Stentor roeseli; farblos, 0,5 - 1 mm, gallertiges Wohngehäuse als Rückzugsmöglichkeit.)
  • Grünes Trompetentier (Stentor polymorphus; 1-2 mm, symbiontische Algen eingelagert.)
  • Flaches Trompetentier (Climacostomum virens; 0,1- 0,3 mm, nicht kontraktionsfähig, dauerhaft ovale Form.)
  • Rotes Trompetentier (Stentor igneus, 0,2 - 0,4 mm, rosafarben.)
  • Amethyst-Trompetentier (Stentor amethystinus, 0,4 mm, stark violett pigmentiert, dunkel bis schwarz erscheinend.)
Bislang sind weltweit 21 Arten bekannt, die alle in gemäßigten Breiten in beiden Hemisphären im Süsswasser leben (außer Stentor multiformis, das auch marin lebt)














Letzte Änderung: 24.03.2012








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